2012 Sounds Like Silence. John Cage / 4’33’’

Die Besondere Ausstellung 2012

Sounds Like Silence. John Cage / 4’33’’ / Silence Today

Das Votum für die „Besondere Ausstellung 2012“ fiel auf Sounds Like Silence. John Cage / 4’33’’ / Silence Today, zu sehen vom 25. August 2012 bis 6. Januar 2013 im Hartware MedienKunstVerein (HMKV) in Dortmund.
Die Ausstellung wurde gemeinsam von Inke Arns, der künstlerischen Leiterin des HMKV, und Dieter Daniels, Professor für Kunstgeschichte und Medientheorie, HGB Leipzig, kuratiert und nahm das legendäre Stück 4'33" von John Cage zum Ausgangspunkt. Uraufgeführt am 29. August 1952 jährten sich 2012 das 60. Jubiläum dieses bahnbrechenden Stücks und zugleich der 100. Geburtstag von John Cage. Dennoch handelte es sich bei Sounds Like Silence nicht um eine klassische John Cage-Ausstellung. Vielmehr erlaubte die konzeptuelle Konzentration auf 4'33", wo Stille über mehrere Sätze zur Aufführung gebracht wird, verschiedene Vorstellungen von Stille – und ihr Pendant, das heißt Klang, Sound, auch Lärm – in ihrer ästhetischen, gesellschaftlichen und politischen Relevanz zu reflektieren. Was war Stille 1952 – und was bedeutet sie heute? Wie stark ist unser Bedürfnis nach Stille und was nehmen wir überhaupt noch wahr im Zeitalter medialen Rauschens und steigender Lärmbelastung? Wie viel Stille können wir ertragen? Und wer kann still sein, wer bleibt still und findet kein Gehör? Dies sind einige der Fragen, die Sounds Like Silence in einer dichten, äußerst anregenden Ausstellung aufgriff und weiter verfolgte. Bemerkenswert waren insbesondere der Brückenschlag von historischen Konzepten von Stille zu aktuellen Fragen und der gelungene Wechsel zwischen verschiedenen „Brennweiten“, d.h. einer starken Fokussierung aufs Detail und übergeordneten Fragestellungen. So versammelte die Ausstellung erstmals alle Notationen sowie sämtliche Variationen und Ableitungen von Cages Stück, die der Komponist zwischen 1962 und 1992 verfasst hatte. Zugleich setzte sie Cages Werk in einen Kontext mit anderen zeitgleich entstandenen Arbeiten aus Literatur, Tanz, Kunst und Film, wie etwa Robert Rauschenbergs White Paintings, die Cage als visuelles Äquivalent zur akustischen Stille betrachtete, oder Guy Debords Film Geheul für De Sade mit seinem radikalen Entzug des Visuellen. Von diesen historischen Positionen aus folgte die Ausstellung unterschiedlichsten zeitgenössischen Neuinterpretationen und Fortschreibungen von 4’ 33’’ bis in die Gegenwart, ob es sich nun um Manon de Boers suggestiven Film Two times 4’33 handelte, Jens Heitjohanns interaktive Neufassung des Stücks im Dortmunder Stadtraum oder die Videodokumentation einer 4 Stunden 33 Minuten dauernden Aktion der von Andrei Monastyrski gegründeten Gruppe Kollektive Aktionen 1985 in einer Moskauer Wohnung. So unterschiedlich die Arbeiten im Konkreten auch sein mochten – sie alle verband die Frage nach der aktuellen Bedeutung der Konzepte von Stille und Lärm in unserer Kultur, bis hin zu Fragen der Soundökologie, die eine immer wichtigere Rolle einnimmt.
Hervorzuheben ist auch der Katalog, der analog zur Ausstellung historische Texte mit Aufsätzen gegenwärtiger AutorInnen aus der Kunstgeschichte, Musikwissenschaft und Medientheorie verbindet. „Sounds like Silence“ ist ein herausragendes Beispiel für eine fundiert recherchierte und gelungen choreografierte Ausstellung, die historische Positionen auf ihre aktuelle Relevanz überprüft, gegenwärtig akute Fragen in einen größeren historischen, kulturellen und gesellschaftspolitischen Zusammenhang setzt und den Mut hat, auch ungesicherte Wege zu erkunden. Deswegen gebührt ihr der Titel der „Besonderen Ausstellung 2012“, der explizit auch als eine Anerkennung für die insgesamt hervorragende Arbeit des HMKV zu verstehen ist.

Astrid Wege, Köln, 25.01.2013


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