2008 „Adolph Menzel. Radikal real"

Besondere Ausstellung 2008

„Adolph Menzel. Radikal real"
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, 16.5.-31.8.2008

Über Adolph Menzel ist alles gesagt, von ihm wurde beinahe alles gezeigt. So zumindest musste es bisher scheinen - bis zu der Ausstellung im Sommer 2008, die die Hypo-Kunsthalle München in enger Zusammenarbeit mit dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Berlin veranstaltet hat. Erarbeitet wurden Ausstellung und Katalog gemeinsam von Christiane Lange von der Hypo-Kunsthalle sowie Bernhard Maaz, der als Leiter der Alten Nationalgalerie Berlin der berufene Sachwalter Menzels ist. Zum ersten Mal standen die Skizzenbücher des Künstlers im Mittelpunkt einer Ausstellung, in denen Menzel sein lebenslanges Credo, „Alles Zeichnen ist nützlich und Alles zeichnen auch", verwirklicht hat. Kein zweiter Künstler - auch nicht in dem so wirklichkeitssüchtigen späten 19. Jahrhundert - hat derart viel physische Realität im Medium der Zeichnung festgehalten wie Menzel. Umso mehr bilden die - insgesamt 75 überlieferten - Skizzenbücher die Quelle aller ausgeführten Arbeiten, ob Gemälde, Aquarell oder Lithografie. Gewiss war dieser Umstand stets bekannt. Doch die Münchner Ausstellung hat in bewundernswert einleuchtender Weise den Weg der künstlerischen Schöpfung von der Momentaufnahme des Gesehenen über das Skizzenbuch als Motivreservoir bis zum durchkomponierten Werk herausgearbeitet. Da nun die kleinformatigen Skizzenbücher naturgemäß nicht zum Durchblättern ausliegen konnten, kam zumindest für die knappe Hälfte von ihnen, nämlich immerhin 36 Stück, eine elektronische Darstellung zum Einsatz, die innerhalb der Ausstellung das „Blättern" und damit einen Vergleich mit den benachbart ausgestellten, nachfolgenden Arbeiten ermöglichte. Die Aufbereitung der Skizzenbücher für die Digitalisierung, verbunden mit sorgsamen konservatorischen Maßnahmen, geschah auf Kosten der Hypo-Kulturstiftung und als Gegenleistung für die Ausleihe der in Berlin verwahrten Büchlein. Dieses „Gegengeschäft" verdient, gerade in Zeiten mangelnder Haushaltsmittel der Museen, als Beispiel dafür hervorgehoben zu werden, wie öffentliche Museen und private Geldgeber jenseits von Event-Veranstaltungen sinnvoll kooperieren können. Die Ausstellung selbst, ein Muster sorgfältigen Aufbaus, ermöglichte die vertiefte Betrachtung der Arbeiten Menzels und damit einen Einblick in dessen künstlerische Arbeit, wie sie am Aufbewahrungsort des umfangreichen Nachlasses mit mehr als achteinhalb tausend Blättern, dem Kupferstichkabinett Berlin, nicht möglich ist. Die Digitalisierung der Skizzenbücher ist ein Geschenk an die kunsthistorische Forschung, der bei Menzel ungeachtet der bisherigen, höchst umfangreichen Literatur immer noch Etliches zu tun bleibt. Die Münchner Ausstellung hat in gänzlich unangestrengter Weise vorgeführt, wie Wissenschaft und Publikum gleichermaßen aus einer durchdachten Anstrengung Gewinn ziehen können.

Bernhard Schulz, Berlin, 29.10.2008


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