Leicht verständlich und wissenschaftlich sachlich berichtete die Ausstellung „Palast der Republik“ vergangenen Sommer in der Kunsthalle Rostock von Geschichte und künstlerischer Rezeption des gleichnamigen Gebäudes in Berlin. Mittels Exponaten aus Gestaltung und Architektur, aus Dokumentarfotografie und verschiedenen Genres Bildender Kunst analysierte „Palast der Republik“ Fakten und Fiktionen zu dem umstrittenen Haus, das an der Stelle des nun rekonstruierten Berliner Stadtschlosses stand und als Sitz der Volkskammer der DDR, Veranstaltungsort und Restaurant diente. Chronologisch und thematisch in Kapiteln übersichtlich geordnet waren in Rostock unter anderem zu sehen: Entwürfe für das Gebäude und die Bekleidung des Personals, Mobiliar, Auftragskunst für den „Palast“ (etwa von Willi Sitte und Ronald Paris) sowie Fotografien von Bauarbeiten und Besuchern. Den Schwerpunkt jedoch bildete Gegenwartskunst, die Leerstand, Zwischennutzung und Abriss des Hauses thematisierte (etwa von Doug Hall, Thomas Florschuetz, Emma Stibbon, Nina Fischer/Maroan el Sani, Bettina Pousttchi), auch im Garten und auf der Fassade der Kunsthalle.
„Palast der Republik“ hat die Berliner Kunsthistorikerin Elke Neumann verantwortet und damit einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Auseinandersetzungen um das kulturelle Erbe der DDR geleistet. Im Jahr 30 nach Mauerfall, in den Monaten vor der für 2019 geplanten Eröffnung des Humboldt Forums im Berliner Schloss erinnerte die Ausstellung nicht nur an Gestaltung und Funktionen des „Palasts“. Vielmehr spiegelte sich in den zeitgenössischen Arbeiten auch die langjährige Debatte um die Zukunft des Hauses, die sich zu einem Kampf um die Deutung von Geschichte zugespitzt hatte. Mit der in das Jahr 2020 verschobenen Eröffnung des Humboldt Forums bleibt dieser Streit aktuell.
Die Rostocker Ausstellung trug und trägt zum Verständnis dieses Konflikts bei. Sie machte den Blick frei für den historischen Kontext und die Gestaltungsprinzipien des Gebäudes mit ihrer sozialistischen Uminterpretation des Bauhaus-Erbes. Sie ließ politische und ideengeschichtliche Strömungen der Streits um das Haus erkennen. Sie erinnerte an Aversionen wie Hoffnungen, die der „Palast“ bei Besuchern, Bürgerrechtlern und Künstlern weckte. Eine Brücke in die Stadt, in der der „Palast“ bis 2008 stand, schlug die Rostocker Ausstellung mit einer Satellitenschau im Berliner Kunstverein KVOST. Von der Vielfalt der zusammengetragenen Positionen bleibt ein abwechslungsreich geschriebener und gestalteter Katalog. Er bietet reichhaltiges Material für anschließende Studien.
Auch dank des Ausstellungsortes ging das Konzept hervorragend auf. Die Kunsthalle Rostock, 1969 erbaut, ist ein Zeitgenosse des „Palasts“. Lokale Abrissabsichten hat sie überstanden, heute genießt sie Denkmalschutz. „Palast der Republik“ passte sich perfekt in ihre offenen Säle und Zwischengeschosse ein. So thematisierte die Ausstellung auch den Umgang der Hansestadt mit DDR-Erbe, vor allem aber machte das Zusammenspiel von Architektur und Ausstellung Zeitgeschichte körperlich erfahrbar. Dennoch war „Palast der Republik“ alles andere als eine historisierende Erlebniswelt. Für kritischen Abstand zum Thema sorgten die nüchterne Hängung und viele künstlerische Beiträge. Weithin sichtbar signalisierte diese Distanz Bettina Pousttchis Fassadenarbeit, eine Wiederaufnahme ihrer Arbeit am Berliner Schloßplatz 2009: Eine Hülle aus schwarzweißen Fotodrucken schien die Rostocker Kunsthalle in eine verkleinerte Replik des Berliner „Palasts“ zu verwandeln, jedoch nicht mit dem Staatsemblem der DDR auf der Frontseite, sondern der Fotografie einer Normaluhr, Symbol für die verstrichene Zeit.
Diese Ausstellung hat Maßstäbe gesetzt, über das mit Kunsthäusern spärlich bedachte Mecklenburg-Vorpommern hinaus. Für ihre transdisziplinäre Vielfalt, ihre visuelle Qualität und die anschauliche Zeit- und Kunstgeschichte, die hier geschrieben wurde, verdient „Palast der Republik“ die Auszeichnung „Ausstellung des Jahres“.
Text: Claudia Wahjudi