2013 "LONELYFINGERS-KONVERSATIONSSTÜCKE"

Besondere Ausstellung des Jahres 2013

Was ist eine besondere Ausstellung? Sind nicht alle Ausstellungen auf die eine oder andere Art besonders? Sicher ist, dass "LONELYFINGERS-KONVERSATIONSSTÜCKE", vom 17. März – 2. Juni 2013 im Museum Abteiberg, schon deshalb aus dem Rahmen fiel, weil das Projekt ganz auf die Präsentation von Kunstwerken im engen Wortsinn verzichtete.

Zu Vorgeschichte: 2012 starten Diango Hernández und Anne Pöhlmann ein Lonelyfingers betiteltes Online-Projekt als Künstlerplattform. Im Zentrum steht der Austausch über Ideen in einer durch digitale Prozesse vernetzten, wenn nicht gar beherrschten Gesellschaft, in der die Kunst zunehmend nur mehr als Ware in einem global agierenden Markt rangiert. An die Stelle des konventionellen Kunstwerkes rücken Objekte aus dem Lebensumfeld des Künstlers, die bewusst oder unbewusst als Inspirationsquellen kreativer Prozesse fungieren - ohne doch in platter Linearität mit dem Werk verbunden werden zu können. Sie erproben diese Präsentations- und Diskussionsplattform in einem überschaubaren Kreis ihnen und ihrem kreativen Denken über Kunst in der Gesellschaft nahe stehender internationaler KünstlerInnen. Nach einem Jahr überführen sie die online-Plattform erstmals in den physischen Raum und erweitern so die Kommunikation unter Künstlern um eine solche zwischen den Künstlern und den Besuchern.

Den Besucher empfängt ein beeindruckender Salon: dunkel getäfelte Wände, hohe Regale und ein sich durch den Raum erstreckendes Präsentationsmöbel voller Objekte, Bücher, Schallplatten, gerahmter und ungerahmter Skizzen, Photos, Speise- und Landkarten, alles Objekte höchst unterschiedlicher Provenienz. Die im Raum verteilten Kuben / Hocker aus dem gleichen Material laden den Besucher unmissverständlich ein, sich den mal rätselhaften, mal vertrauten Gegenständen zuzuwenden. Nichts ist beschriftet, nichts gibt Auskunft, wer unter den beteiligten Künstlern - Daniel Barroca, Jay Batlle, Jaroslaw Fliciński, Jessica Gispert, Manuel Graf, Owen Gump, Diango Hernández, Rita McBride, Anne Pöhlmann, Glen Rubsamen, Tom Sloan und Monika Stricker - diese Objekte aus seinem Atelier oder Wohnraum warum ausgewählt hat.

Derart alleine gelassen bleibt die Möglichkeit zu fliehen. Oder den Kopf mit der Hand kurz zu schließen und in eine von allen Vorgaben freie Kommunikation einzusteigen, gegebenenfalls seine eigenen Geschichten im Umgang mit vertrauten, fremden, banalen, auratischen, geliebten, übersehenen und / oder verachteten Gegenständen zu erfinden. Wo der Insider erfolglos versucht, die Fundstücke mit deren Besitzern verknüpfen, hat der vorbehaltlose Laie hat den Vorteil, den ebenso existentiellen wie poetischen Kern dieses Projektes unmittelbarer zu erfassen: "Sicherlich könnten wir auch ohne Objekte leben, aber es ist fraglich, ob wir in der Lage wären, uns an etwas zu erinnern, wenn wir sie nicht hätten. Wir benutzen Funde* als Bezugspunkte....und wir schaffen Kunstwerke, um erinnert zu werden." Der Verweis auf Duchamp ist so deutlich wie die Absage an die Gleichung 'objet trouvé' = Kunstwerk.

Gebaut hat diesen 'Salon' inklusive Bar Tom Sloan aus den Pressspanplatten für Monica Bonvicinis Ausstellungsarchitektur, weswegen die Geschichte des Ortes ihrerseits weitererzählt wird - und überleitet in die an 7 Sonntagen bei Kaffee und Kuchen veranstalteten Gedankenaustausch zwischen Künstlern und Publikum über die in den Fundstücken gespeicherten Inspirationen, aber auch erweiternde Geschichten: z.B. die Rolle des Teelöffels und der Finger Foods für Jay Battles Foodperformance oder die Bedeutung einer Zugreise von Frankreich nach Italien für Glen Rubsamens Recherchen zum Sterben der allgegenwärtigen Palmen. So erwiesen sich Präsentationsform und Veranstaltungen als ein ebenso sinnlich wie geistig eindringlicher, unterhaltsamer und hintergründiger Diskurs über geistige Güter, über die Rolle des Museums als Sammlungs- und Ausstellungsort zwischen Wunderkammer und Labor und auch über die Fortschreibung von 'Künstlersalons' der Moderne zu physischen wie digitalen Diskussionsplattformen in der Gegenwart.
Und schließlich gibt es die wunderbaren "Find Papers No 1" in Form einer Zeitung: Sie besteht aus Künstlerseiten, auf denen ein Kunstwerk im engeren Sinne in Kontakt mit den Funden tritt, dazu Künstler- oder Autorentexte und am Ende - nach Besitzern geordnet - ein Objektverzeichnis.

Annelie Pohlen

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